Maskenbildnerin Melanie Müller bei der Arbeit Maskenbildnerin Melanie Müller bei der Arbeit
Foto: © Matthias Stutte
Maskenbildnerin Melanie Müller
01.04.2022
Theater

Eine „Künstlerin der Verwandlung“

Im Gespräch mit Maskenbildnerin Melanie Müller

Redaktion: Jessica Sindermann

Wenn wir ins Theater gehen, ist doch die Unmittelbarkeit dessen, was auf der Bühne geschieht das, was wir am meisten genießen. Wir nehmen im Theatersaal Platz, lehnen uns zurück und richten den Blick auf die Bühne, um dem Ensemble bei der Arbeit zuzusehen: Echten Menschen, die singen, sprechen oder tanzen. Nichts ist aufgezeichnet, alles passiert unmittelbar in diesem Moment und kann nicht unterbrochen oder wiederholt werden, wenn das Stück einmal begonnen hat. Wir sehen als Zuschauer nur das perfekte Geschehen auf der Bühne. Aber auch das Drumherum sollte dabei nicht in Vergessenheit geraten. Denn auch abseits der Bühne arbeiten Menschen, die mit vollstem Engagement dabei sind und bei jeder Produktion dazu beitragen, dass am Ende alles läuft. Oder eben die Maske „sitzt“ und jede*r Darsteller*in seine/ ihre Rolle auf der Bühne authentisch verkörpern kann.

An dieser Stelle kommt Melanie Müller ins Spiel. Seit der Spielzeit 2012/2013 arbeitet sie als Maskenbildnerin am Theater Krefeld und Mönchengladbach und macht das, wovon viele junge Menschen träumen: Sie verwandelt die Darsteller optisch, indem sie sie schminkt und frisiert und ihren Auftritten durch ihr Werk den richtigen Ausdruck verleiht. Dass allerdings noch viel mehr dazugehört, erfahre ich im Gespräch mit der 34-jährigen.

HINDENBURGER: Seit wann machen Sie diesen Beruf und wie sind Sie dazu gekommen?

Melanie Müller: Ich bin seit 2012 ausgebildete Maskenbildnerin und habe davor noch eine dreijährige Friseurausbildung absolviert. Eigentlich bin ich im Theater groß geworden Meine Mutter arbeitet am Theater im Erzgebirge, wo ich herkomme und daher habe ich schon im Alter von sieben Jahren dort im Kinderchor gesungen und war in der Statisterie aktiv. Je älter ich wurde war dann klar, dass ich auch etwas mit Theater machen möchte und auch relativ schnell, dass es der Beruf der Maskenbildnerin werden soll.

HINDENBURGER: Wie wird man überhaupt Maskenbildnerin?

Melanie Müller: Ich habe mich damals zunächst dazu entschieden, eine Friseurausbildung zu machen, weil mir bewusst war, dass ich als Maskenbildnerin sehr viel mit Haaren zu tun haben werde. Da ist es einfach von Vorteil, das gelernt zu haben. Dann habe ich ein Praktikum am Theater gemacht und die haben mir damals Gott sei Dank auch angeboten, direkt meine Ausbildung dort zu beginnen. Man kann sie auch schulisch absolvieren, dafür gibt es extra Hochschulen in München und Dresden, an denen der Studiengang „Maskenbild“ angeboten wird, aber für mich stand immer fest, dass ich ans Theater möchte und nicht in Richtung Film. Daher wollte ich auch unbedingt direkt am Theater lernen. Die dreijährige Ausbildung dort war im Endeffekt wie ein normaler Lehrberuf, ich hatte Berufsschule und war gleichzeitig immer auch im Betrieb tätig.

HINDENBURGER: Welche Vorkenntnisse halten Sie im Beruf des Maskenbildners für empfehlenswert? Welche Fertigkeiten sollte man unbedingt mit sich bringen?

Melanie Müller: Kreativität ist auf jeden Fall eine sehr wichtige Eigenschaft, die man mit sich bringen sollte. Und auch die Auffassungsgabe sollte hoch sein, schließlich muss man umsetzen können, was der Ausstatter möchte. Aber besonders Kreativität ist das A und O!

HINDENBURGER: Wie sieht ein Arbeitsalltag bei Ihnen aus?

Melanie Müller: Wir haben meistens geteilte Dienste, also auch viel Werkstattdienst. Wir sind meist morgens ab 9 Uhr im Theater und dann werden Masken hergestellt, Perücken und Bärte geknüpft und alles von den Vorstellungen am Vorabend muss natürlich auch wieder auffrisiert werden. Viele junge Menschen denken immer, dieser Beruf besteht nur aus dem „schön Schminken“ abends, aber das ist ein Irrglaube! Den Großteil verbringen wir im Werkstattdienst und das Schminken macht eher einen kleineren Teil dieses Berufes aus. Der Großteil der Arbeit besteht tatsächlich aus der Produktion!

HINDENBURGER: Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsbereich ungefähr? Mit wem arbeiten Sie zusammen?

Melanie Müller: Ich bin größtenteils im Herrenschauspiel tätig, das heißt ich mache größtenteils die Männer. Aber wenn Not am Mann ist, springen wir natürlich auch zwischen den Sparten und helfen dann beim Ballett oder der Oper aus. Wir sind keine Abteilung von 30 Leuten und daher muss jeder alles machen. Aber mein Hauptbereich liegt im Herrenschauspiel.

HINDENBURGER: Gibt es viele Vorgaben und Einschränkungen was die Maske angeht, oder kann man seiner Kreativität prinzipiell freien Lauf lassen?

Melanie Müller: Natürlich gibt es Vorgaben, was die Maske der einzelnen Darsteller angeht. Bevor eine Produktion anfängt, haben wir immer erst Gespräche mit der Ausstattung und es wird besprochen, was deren Vorstellungen sind. Wir können dann daraufhin sagen, was möglich ist und was eben nicht. Wir halten und schon sehr an die Vorgaben, aber natürlich gibt es immer mal Maskenwünsche, die bei bestimmten Darstellern aus irgendwelchen Gründen nicht umsetzbar sind. Da lassen sich dann allerdings immer Kompromisse finden! Manchmal entwickeln sich solche Änderungen aber auch erst im Laufe des Probenprozesses.

HINDENBURGER: Welche Maske ist Ihnen in Ihrer bisherigen Laufbahn besonders in Erinnerungen geblieben?

Melanie Müller: Definitiv „Käfig aus Wasser“ mit Christopher Wintgens! Das war eine ganz tolle Arbeit, da ich Christopher als Europäer in einen älteren Japaner verwandeln durfte. Das war auch eine wirklich aufwendige Maske – Wir haben seine eigenen Augenbrauen abgeklebt und Graue darüber, eine Langhaarperücke oben zum Dutt gebunden, ihm einen Bart geklebt, viel mit Material gearbeitet um Falten zu erzeugen und für die typischen prägnanten „Mandelaugen“ mussten wir uns auch etwas einfallen lassen. Das hat wirklich so viel Spaß gemacht und wird mir immer in Erinnerung bleiben!

HINDENBURGER: Was lieben Sie an diesem Beruf?

Melanie Müller: Die Verwandlung. Ich finde es immer schön, wenn man jemanden so verändern kann, dass die Menschen im Zuschauerraum erstmal überlegen müssen, um wen es sich da auf der Bühne handelt. Dann weiß ich, die Arbeit ist aufgegangen und es hat sich gelohnt! Dass man einen völlig anderen Typ aus jemandem machen kann, das ist das Tolle an diesem Beruf! Wenn ich dann im Zuschauerraum sitze nach der Maske und mir die Probe ansehe denke ich manchmal: „Wow, cool, das Konzept ist aufgegangen!“ Ich sehe nämlich erst von Weitem so richtig, wie alles wirkt. Denn das Licht auf der Bühne schluckt enorm.

HINDENBURGER: Haben Sie Tipps für angehende Maskenbildner?

Melanie Müller: Was ich definitiv wichtig finde, ist ein Praktikum vorab, um herauszufinden, ob einen der Beruf wirklich reizt – mit allem was dazugehört. Gerade um auch die Werkstattdienste kennenzulernen und ein wenig „hinter die Kulissen“ zu schauen. Viele unterschätzen nämlich tatsächlich die Produktion in der Werkstatt. Und empfehlen würde ich auch auf jeden Fall eine Friseurausbildung vorher, schließlich müssen wir immer noch die Perücken selber schneiden und frisieren! Man hat dann einfach schon das Verständnis für Frisuren und weiß, wie man was schneiden muss, um ein bestimmtes Ergebnis zu bekommen. Das fehlt glaube ich einigen, die die Friseurausbildung nicht gemacht haben. Die müssen sich in der dreijährigen Ausbildung zur Maskenbildnerin dann noch zusätzlich darauf konzentrieren, denn am Ende sind das Schneiden und Frisieren trotzdem Bestandteil der Prüfung.

HINDENBURGER: Vervollständigen Sie bitte folgenden Satz: Theater bedeutet für mich…

Melanie Müller: … meine Kreativität einfach auszuleben.

HINDENBURGER: Liebe Frau Müller, vielen Dank, dass Sie uns Einsicht gewährt haben in Ihren spannenden Beruf, zu dem so viel mehr dazugehört als das reine Schminken der Darsteller*innen!