Sabine Mansmann vom SGN und Evelyn Adams vom KBS Sabine Mansmann vom SGN und Evelyn Adams vom KBS
Foto: © SGN: SGN/SK-MG | KBS: D.Ilgner/Kliniken Maria Hilf
Sabine Mansmann vom SGN und Evelyn Adams vom KBS
01.02.2021
Medizin + Co

Pflegeausbildung und Corona? Wie geht das überhaupt?

Redaktion: Marc Thiele

Für Ausbildende und Auszubildende in den Pflegeberufen ist die aktuelle Coronasituation eine ganz besondere Herausforderung, die sich alleine schon durch das berufliche Umfeld noch einmal stark von einer Ausbildung in nicht gesundheitsbezogenen Berufen unterscheidet. Wir sprachen mit den beiden Leiterinnen der zwei Mönchengladbacher Ausbildungsinstitute für Pflegeberufe, Sabine Mannsmann von Schulzentrum für Gesundheitsberufe am Niederrhein GmbH (SGN) und Evelyn Adams von der kbs | Akademie für Gesundheitsberufe Mönchengladbach über die aktuelle Situation, Herausforderungen und Lösungen.

HINDENBURGER: Wie kann man angesichts der dramatischen Medienberichte über die Corona Situation in Kliniken junge Menschen überhaupt noch zu einer Pflegeausbildung motivieren?

Evelyn Adams (KBS): Wie systemrelevant die Pflegeberufe in unserer Gesellschaft sind, zeigt sich jetzt in Corona-Zeiten ganz besonders. In allen pflegerischen Versorgungsbereichen, besonders im Krankenhaus, werden Menschen mit Corona-Infektionen betreut. Klar ist: Pflegefachkräfte und Menschen, die eine Pflegeausbildung antreten, brauchen wir mehr denn je. Es erfordert Courage und Knowhow, um kompetent auf die pflegerischen, medizinischen und sozialen Herausforderungen reagieren zu können. Die Ausbildung wurde umgestellt. Mit der neu eingeführten „Generalistischen Pflegeausbildung“ befähigt man nun die Auszubildenden zum Einsatz in jedem pflegerischen Setting und mit einem Blick in alle Richtungen. Am Ende bleibt der Beruf eine machbare und hoch-interessante Herausforderung. Seine Ausübung bringt den engagierten jungen Menschen viel Dankbarkeit und Anerkennung seitens der Patienten ein. Nach der Ausbildung gesellen sich zudem noch sehr vielfältige und spannende Fortbildungs-, Weiterbildungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten dazu.

Sabine Mansmann (SGN): Unsere Erfahrung ist, dass die Bewerberzahl in Corona-Zeiten nicht dramatisch eingebrochen ist. Dramatisch bleibt es dennoch, weil auch schon vor Corona die Anzahl der eingehenden Bewerbungen grundsätzlich rückläufig ist – diese Situation ist und bleibt besorgniserregend. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass sich gerade junge Menschen sehr bewusst für einen Pflegeberuf entscheiden, da sie aktiv in dieser Krise unterstützen wollen. Schwierig ist es für das Ausbildungsjahr 2021 noch aus einem anderen Grund: Viele Pflegeeinrichtungen sagen aufgrund der aktuellen Situation Pflegepraktika ab – das ist zwar verständlich und sinnvoll, wird aber dazu führen, dass jungen Menschen keinen ersten Einblick in ihre Berufsbildung erhalten werden. Es ist zu befürchten, dass auch diese Tatsache dazu führen wird, dass im Jahre 2021 weniger Azubis an den Start gehen werden.

HINDENBURGER: Neben den aktuellen Schreckensbildern sind die Themen Wertschätzung und Bezahlung wohl mit die größten Hindernisse bei der Nachwuchsgewinnung. Was müsste sich ändern, damit zumindest in diesen Bereichen Motivationshürden abgebaut würden.

Sabine Mansmann (SGN): Junge Menschen, die sich für einen Pflegeberuf entscheiden, benötigen eine klare Orientierung innerhalb eines Teams, in dem sie sich willkommen und gebraucht fühlen! Es braucht daher neue und mutige Konzepte hinsichtlich Einarbeitung und vorsichtige Hinführung in die Pflegepraxis. Ich plädiere daher dafür, Auszubildende in den ersten beiden Ausbildungsjahren nicht im Stellenplan zu berücksichtigen, damit sie nicht in den Mühlen der Personalknappheit „zermahlen“ werden. Damit so etwas funktioniert, müsste die Politik den Arbeitgebern finanziell den Rücken stärken und für Finanzierungslösungen sorgen. Darüber hinaus braucht es eine ausreichende Anzahl von „Ausbildungsbegleitenden“ (Praxisanleitenden), die Auszubildende von Beginn an, auf den Stationen oder Wohnbereichen, zur Seite stehen. Auszubildende müssen sich ausprobieren und komplexe Aufgaben mehrmals wiederholen können. Sie benötigen klare und eindeutige Rückmeldungen zu Ihrem Tun - dazu gehört konstruktive Kritik und vor allem eine große Portion Lob für gelungene Tätigkeiten! Mit der Aufstockung des Schulgebäudes des SGN sind großzügige Übungsräume sog. Skills lab angedacht, in denen Auszubildende verschiedene und zum Teil auch komplexe Pflegesituationen trainieren und ausprobieren können. Fehler dürfen sein und führen innerhalb dieser geschützten Räume zu keiner Patientengefährdung. Auszubildende können so an Sicherheit gewinnen und in der Pflegepraxis verantwortlich und kompetent die an sie gestellten Aufgaben meistern.

Evelyn Adams (KBS): Das Thema Geld spielt bei denjenigen, welche sich für das Erlernen eines Pflegeberufes entscheiden, im Vergleich zu anderen Berufsfeldern häufig eine eher kleinere Rolle. Ursächlich hierfür ist u.a., dass das Gehalt meistens besser ist, als es im Allgemeinen angenommen wird. Des Weiteren gewinnen andere Faktoren im Leben der jungen Menschen an Bedeutung: Zuverlässigkeit von Arbeitgeberseite, z. B. hinsichtlich der Dienstplanung oder auch hinsichtlich späterer Entwicklungsmöglichkeiten. Hier zeigt sich auf der Ebene KBS und den Kliniken Maria Hilf, wie wertvoll eine Anbindung der Schule an ein großes Krankenhaus als Träger ist. Enge Kommunikation und permanenter Austausch führen oft zu erfolgreichen und den Wünschen entsprechenden Karrierewegen, wie sie in einem fachlich breit aufgestelltem Haus halt eher möglich sind. Eine gute Betreuung in der Ausbildungszeit ist ebenfalls wichtig: diese gewährleisten wir seitens der kbs durch ein überdurchschnittlich engagiertes und hoch-qualifiziertes Lehrerkollegium sowie seitens der Kliniken Maria Hilf durch sieben, nur für die Ausbildung freigestellte Praxisanleiter.

HINDENBURGER: Wie kann eine Pflegeausbildung in Corona-Zeiten überhaupt umgesetzt werden und wie müssen sich Ausbildungsbetriebe/-schulen aufstellen, um (Präsenz-)Unterricht in einem sicheren Umfeld anbieten zu können?

Evelyn Adams (KBS): Hier wurde durch kbs und die Kliniken Maria Hilf in den weiteren Ausbau der Infrastruktur materiell wie personell spürbar investiert: die Einstellung eines Systemadministrators / Mitarbeiters rein für IT-Belange ermöglichte z Bsp. den Aufbau einer kbs-eigenen Lernplattform und deren Betreuung bzw. Weiterentwicklung. Alle Schüler wurden mit iPads, welche vorab durch uns komplett konfiguriert wurden, ausgestattet Auf dieser Grundlage sind nun alle Schüler zum Homeschooling in der Lage. Präsenzphasen gibt es nur für Abschlusskurse. Selbige werden allerdings so geplant und getaktet, dass es keine unnötigen Begegnungen in größerer Zahl geben muss. Überdies gibt es in der kbs ein klar gekennzeichnetes Wegesystem mit etlichen Ausweichmöglichkeiten durch das Haus. Und dass man untereinander und bei Besuchern auf die Einhaltung der gängigen Hygieneregeln achtet, …das ist selbstverständlich.

Sabine Mansmann (SGN): Wie alle Schulen, müssen auch die Schulen im Gesundheitswesen sich an spezielle Hygienerichtlinien und Erlasse halten. Um Auszubildende und Lehrkräfte vor einer Infektion zu schützen, ist z.B. das Eintreten und Verlassen des Schulgebäudes in einem Einbahnstraßensystem umorganisiert worden. Seit August letzten Jahres tragen Azubis und Lehrkräfte durchgehend im Gebäude und während des Unterrichts eine MNB. Regelmäßiges Lüften gehört ebenso zum Alltag wie ein CO² Messgerät, das die Qualität der Raumluft angibt. Wo möglich, werden Klassen geteilt, versetzte Unterrichtszeiten und Pausen eingeführt und bei Gruppenarbeiten schriftlich dokumentiert, wer sich mit wem, wann und wie lange in einem Raum aufgehalten hat. Immerhin – bisher hat es im SGN keine Corona Infektion gegeben – die Anstrengungen und die sehr zeitaufwendigen Organisationen lassen vermuten, dass wir alles richtig gemacht haben.

HINDENBURGER: Wie kann Onlineunterricht in der Pflegeausbildung funktionieren? Wie wäre die Ausstattung der Schüler mit digitalen Geräten zu realisieren und zu finanzieren?

Sabine Mansmann (SGN): In unserem Schulzentrum findet in diesem zweiten Lockdown rein digitaler Unterricht nach Stundenplan statt. Das bedeutet, dass die Schüler pünktlich, aber eben zu Hause, jeden Tag von 8:15 – 15:30 Uhr am Unterricht teilnehmen. Wir haben aus März 2020 gelernt und unsere unterrichtliche Strategie im Distanzlernen umgestellt. Alle Auszubildende, Lehrkräfte und Dozenten wurden in Microsoft Teams eingepflegt und können über diese Plattform unterrichten, Videobesprechungen durchführen, Unterrichtsmaterial gemeinsam bearbeiten, sogar in digitaler Form Gruppenarbeiten durchführen, Lernfilme gemeinsam anschauen, dies auswerten oder selbst Filme drehen. Alle Schüler haben Zugriff auf 25 digitale Lehrbücher (E-Books) und können sich bei Bedarf ein digitales Endgerät aus der Schule ausleihen, um damit im häuslichen Bereich arbeitsfähig zu sein. Unser Schulzentrum hat über den Digitalpakt Schule NRW – gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung - im August 2020 140 digitale Endgeräte bestellt, von denen bisher nur 25 Stück geliefert werden konnten. Ein Zustand den sehr viele Schulen teilen – die Nachfrage ist einfach zu hoch. Wir sind auf einem guten Weg; seit dem Neubau unseres Schulzentrums im Jahre 2015 verfügen alle Klassenräume über ein stabiles WLAN-Netz und alle Unterrichtsräume sind mit interaktiven Whiteboards ausgestattet. Reicht das? Ich denke, auch hier ist noch viel Luft nach oben: Lehrer benötigen Schulungen, um sich im digitalen Lehren zu üben und ein gutes Standing zu entwickeln. Ob die technischen Voraussetzungen bei steigenden Nutzern ausreichend sind, bleibt abzuwarten. Kosten für eigene Schulserver, pädagogische Software und Schulungen, Lizenzgebühren für die Nutzung mobiler Endgeräte, Versicherungskosten u.v.a.m. summieren sich und müssen aktuell von den Arbeitgebern getragen werden. Hier muss aus meiner Sicht nachgebessert werden, da diese Kosten nur mit einem überschaubaren Betrag im Rahmen der Ausbildungsfinanzierungsverordnung für Pflegeberufe berücksichtigt wurden.

Evelyn Adams (KBS): Aufgrund der materiellen Ausstattung und hohen Qualifikation der Lehrkräfte konnte der Präsenzstundenplan in einen gleich-hochwertigen Online-Stundenplan überführt werden. Die dazu notwendigen und an die Schüler ausgegebenen iPads wurden mit Landesfördermitteln realisiert.


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