Eine Visualisierung des Sees der neuen Seestadt in Mönchengladbach Eine Visualisierung des Sees der neuen Seestadt in Mönchengladbach
Foto: © Catella
01.05.2022
Bauen + Wohnen

Ein Blick auf die Seestadt mg

Seestadt GmbH Geschäftsführer Klaus Franken im HINDENBURGER-Interview

Redaktion: Marion Freier

Unmittelbar nach Bekanntgabe des Termins für das Richtfest der „Seestadt mg“ am 6. Mai, zu dem auch interessierte Mönchengladbacher*innen herzlich eingeladen sind, stand uns Klaus Franken, Geschäftsführer des Bauherrn, der Seestadt GmbH aus Düsseldorf, für ein Gespräch zur Verfügung.

HINDENBURGER: In Ihrer letzten Pressemitteilung erwähnen Sie für die Seestadt mg ein unabhängiges Energiekonzept „Wärmegewinnung aus Erd-, Luft- und Wasserwärme“. Wie funktioniert dies und ist es evtl. eine neue, zukunftsträchtige Heizmöglichkeit?

Klaus Franken: Wir wollten schon unabhängig von den fossilen Energieträgern werden, bevor wir uns mit den aktuellen, politisch bedingten Energieproblemen befassen mussten. Aber es war klar, dass alles irgendwann teurer werden wird. CO²-Abgaben standen schon länger im Raum und damit die Gefahr steigender Nebenkosten, was für unsere Mieter*innen ein zunehmendes Problem ist. Wir brauchten also ein kreatives Modell der Energiegewinnung und konzentrierten uns im Laufe von 2 Jahren der Suche, Entwicklung und Berechnungen auf das Thema ‚Abwasser‘. Denn wenn jemand duscht, die Spülmaschine oder Waschmaschine anstellt, ist warmes Abwasser vorhanden. Dieses gibt Wärme an die Umgebung ab. Durch Wärmetauscher ziehen wir die Wärme aus dem Abwasser heraus, wodurch wir Energie gewinnen, aus der wir den Wärmehaushalt in der Seestadt entsprechend bedienen können. Der Vorteil liegt in 3 Energiezentralen, die sich untereinander dahingehend updaten, dass die anderen beiden mehr Leistung abgeben, falls eine ausfallen sollte. Somit wird auch keine Energie-Rückversicherung mehr benötigt. Bisher mussten wir noch zusätzlich Kohle oder Gas einsetzen, wenn bei Kollektoren z.B. nicht genug Sonne schien. Abwasser hat zusätzlich den Vorteil, dass es beständig vorhanden ist.

HINDENBURGER: Erfolgt der Heizhaushalt der Seestadt bei allen 3 Wärmepumpen über Abwasser?

Klaus Franken: Abwasser ist tatsächlich der Hauptenergieträger. Bei der Menge an Abwasser, die in der Seestadt anfallen wird, kann man daraus auch genug Energie generieren. Bisher wurde eine Versorgungssicherheit immer über Gas geregelt. In der Seestadt können wir dies vermeiden. Wir haben dort ein Nahwärmenetz. Beim klassischen Fernwärmenetz mit ca. 100°C wird auf den langen Transportwegen der Wärme sehr viel Energie nach außen abgegeben. In der Seestadt haben wir eine Grund-Temperatur von 40°C, wovon auf den kurzen Wegen des Nahwärmenetzes sehr viel weniger verloren geht. Diese Temperatur reicht auch fürs Heizen, Duschen etc. aus, man muss dann lediglich punktuell das Wasser mehr erhitzen, z.B. fürs Spülbecken. Das ist sehr effektiv, weil man weniger Energieverlust hat. In der Seestadt konnten wir an 3 Stellen das Energiekonzept verbessern. Normalerweise geschieht das nur über Wärmedämmung. Die beiden anderen Komponenten in der Seestadt sind die Energiegewinnung aus Abwasser und das Nahwärmenetz. Dieses innovative Energiekonzept wird übrigens vom Bundeswirtschaftsministerium begleitet und Mönchengladbach kann stolz sein, erstmals in Deutschland dieses Konzept in der Seestadt zu präsentieren.

HINDENBURGER: Wie kann die von Ihnen geplante langfristige Deckelung der Heizkosten garantiert werden?

Klaus Franken: Durch eine vertragliche Regelung mit 2 starken Partnern, der NEW und der E.On, sind über die kommenden 15 Jahre erheblich günstigere Energiekosten mit einer Ersparnis von 30% garantiert. Selbst wenn die Energiekosten steigen und somit auch unsere Sonderkonditionen, liegen wir immer noch 30% unter den üblichen Kosten.

HINDENBURGER: Noch in diesem Jahr sollen die ersten Wohnungen bezogen werden. Wann ist der erste Bezugstermin geplant und wie viele Wohnungen sollen bis dahin bezugsfertig sein?

Klaus Franken: Im Dezember werden 119 Wohnungen bezogen und im Mai 2023 weitere 129.

HINDENBURGER: Verzögerungen wegen Lieferschwierigkeiten bei Baumaterialien wird es ja bei Ihnen aufgrund der sehr besonderen Bauweise nicht geben, richtig?

Klaus Franken: Korrekt. Bei unserer besonderen Modulbauweise wurden die Einzelteile incl. sanitärer Einrichtungen bis hin zum Handtuchhalter im Werk bereits vormontiert. Diese werden nach und nach an der Baustelle angeliefert und lediglich zusammengesetzt.

HINDENBURGER: Wie groß sind die in der Seestadt angebotenen Wohnungen?

Klaus Franken: Das geht von einer 1,5-Zi.-Wohnung mit etwa 35-36 m² bis hin zur familiengeeigneten 4-Zi.-Wohnung mit ca. 100 m². Wir wollen ja möglichst für alle Zielgruppen etwas anbieten - für junge Leute, für alte Menschen, für Singles, Paare und Familien. Das deckt sich nicht nur mit der Stadtplanung, sondern ist uns selbst auch ein Anliegen. Es soll sein wie in einer gewachsenen Stadt, wo die Alten neben den Jungen wohnen, wo nicht jeder im Quartier für sich ist, sondern wo man die Menschen zueinander bringt und zusammenhält. Daher wird es in der Seestadt auch ein Quartiersmanagement geben, das die Gemeinschaft zusammenführen wird. Es werden nicht nur Events geplant, sondern es wird auch für Sicherheit und Sauberkeit gesorgt. So etwas wird in den meisten Wohngebieten leider vernachlässigt. Wir wollen damit auch erreichen, dass die Mieter gerne in der Seestadt wohnen, dann bleiben sie länger. Mieterwechsel kosten nicht nur Geld, sondern bringen auch Unruhe. Und wenn tatsächlich ein Seestadt-Bewohner eine größere oder kleinere Wohnung haben möchte, soll er diese dann auch wieder in der Seestadt bekommen. Auch dafür ist dann das Quartiersmanagement Ansprechpartner.

HINDENBURGER: Wofür wird das Quartiersmanagement noch zuständig sein? Vielleicht auch für die Beauftragung von Handwerkern?

Klaus Franken: Über die Quartiers-App auf dem Handy kann man Handwerker oder eine Reinigung ordern. Es werden auch Serviceleistungen angeboten, die das Leben einfacher machen. Mit verschiedenen Unternehmen werden bestimmte Langzeitverträge geschlossen, damit man Handwerkern nicht unnötig lange hinterherlaufen muss. Es wird Paketservices geben, wir denken auch über eine Kooperation mit Car-Sharing-Unternehmen nach, um es Familien schmackhaft zu machen, das Zweit-Auto abzuschaffen. Auch die Nähe zum Hauptbahnhof und zum ÖPNV werden das Leben in der Seestadt einfacher machen.

HINDENBURGER: Eine der angesprochenen Mietergruppen sind ältere Menschen. Wird es auch seniorengerechte Wohneinheiten geben?

Klaus Franken: Zunächst einmal sind alle Wohnungen in der Seestadt barrierefrei. Aber es gibt auch altengerechte Wohnungen mit verbreiterten Türen, die somit rollatorgeeignet sind. Außerdem planen wir einen Pflegedienst vor Ort. Damit soll für die ältere Mieter gewährleistet sein, so lange wie möglich in den eigenen 4 Wänden zu bleiben.

HINDENBURGER: Sie bezeichnen die Seestadt als sog. ‚15-Minuten-Stadt‘, bei der in diesem Zeitraum auch viele andere Services vor Ort erreichbar sein sollen, wie Arbeiten, Gastronomie, Freizeit, Sport, Einkaufen und Kultur. Wie soll das gastronomische Angebot vor Ort aussehen bzw. haben sich bereits ansässige Gastronomen für einen Umzug oder ein zweites Lokal in der Seestadt interessiert?

Klaus Franken: Bisher noch nicht, aber ein besonderes Kernstück wird der Seepavillon werden. Und am Quartiersplatz wird es nicht nur einen Nahversorger sondern auch verschiedene Restaurants geben.

HINDENBURGER: Der See ist ja mit eine der spannendsten Sachen überhaupt. Wie soll dieser gespeist werden?

Klaus Franken: Der ca. 20.000 m² große See ist ein echtes, ausgetüfteltes Ingenieurbauwerk, gespeist aus Regen- und Grundwasser. Weitgehend selbstreinigend mit über 2 m Tiefe, mit unterschiedlichen Uferzonen, mal mit harter Kante als Promenade, mal naturbelassen mit Schilf und mit einem gesteuerten Durchfluss. Und sobald See und Natur-Ufer vorhanden sind, wird sich die heimische Tierwelt von selbst ansiedeln.

HINDENBURGER: Wie viel Bürofläche ist in der Seestadt geplant?

Klaus Franken: Wir werden Platz für 2.000 Büroarbeitsplätze haben, d.h. es können sowohl große als auch kleine Unternehmen in die Seestadt ziehen. Auch hierfür ist die Nähe zum Hauptbahnhof ausschlaggebendes Kriterium für viele Firmen. Und natürlich gibt es dort, wo 2.000 Menschen wohnen und weitere 2.000 Menschen arbeiten somit einen immensen Bedarf an Gastronomie. Wir gehen davon aus, dass zum Seestadt-Fest am 6. Mai auch einige Interessenten für die gastronomischen Flächen kommen werden. Für das Seestadt-Fest werden wir auch das Zelt eines zu diesem Zeitpunkt dort gastierenden Zirkusbetriebes nutzen können, wo Architektenpläne und Modelle der Seestadt besichtigt werden können. Wir sehen das Seestadt-Fest auch als Bürger-Veranstaltung und rechnen mit vielen Besuchern, die an den Wohnungen, den Büros und den sonstigen Gastronomie- und Serviceflächen interessiert sind.

HINDENBURGER: Haben sie bei der Seestadt ausschließlich mit Ihnen bereits bekannten Architekten zusammengearbeitet oder auch mit neuen Ideengebern, die über Ausschreibungen zum Projekt gekommen sind?

Klaus Franken: Sowohl, als auch. Wir arbeiten dort mit lokalen, nationalen und internationalen Büros zusammen. Es ist ein breiter Mix. Dies ist auch wichtig, damit die Seestadt nicht wie eine einheitliche Siedlung erscheint, sondern wie ein gewachsener Stadtteil mit verschiedenen Architektur-Sprachen.

HINDENBURGER: Es soll also nicht zwingend erkannt werden, dass alles zusammengehört?

Klaus Franken: Mit Sicherheit soll ein gewisser Leitfaden erkennbar sein, auch dadurch, dass es entsprechend gehegt und gepflegt wird. Aber es soll nicht alles gleich aussehen, um Anonymität vorzubeugen.

HINDENBURGER: Wie hoch werden die Häuser maximal?

Klaus Franken: Die Gebäude werden zwischen 3 und 6 Geschossen haben, jedoch wird es auch ein Hochhaus geben, wo sowohl Wohnungen als auch Büros möglich sind.

HINDENBURGER: Herr Franken, vielen lieben Dank für dieses Interview. Was möchten sie zum Schluss noch anmerken?

Klaus Franken: Mit der Seestadt wird kein Ufo in Mönchengladbach landen. Die Seestadt ist ein lokales Projekt mit Miet- und Eigentumswohnungen, wo sich auch kleine Anleger ihren Traum der eigenen 4 Wände verwirklichen können. Nachdem viele Mönchengladbacher während der Bauplanungsphase sagten „da passiert ja sowieso nichts“, haben wir jetzt bereits die ersten Mietverträge unterzeichnet, obwohl weder Rohbauten zu sehen sind, noch der Vertrieb wirklich begonnen hat. Nach dem Seestadt-Fest am 6. Mai gehen wir davon aus, noch mehr Interessenten geweckt zu haben. Im September können dann auch die ersten Musterwohnungen besichtigt werden. Wer nicht so lange warten möchte, kann sich auf https://seestadt-mg.de das Video „Die Seestadt in 4 Minuten“ ansehen.